Von Frank H. Sauer | im September 2014 | Ausgabe 11
„Es hilft nichts, das Unvollkommene heutiger Wirklichkeit zu höhnen oder das Absolute als Tagesprogramm zu predigen. Lasst uns stattdessen durch Kritik und Mitarbeit die Verhältnisse Schritt für Schritt ändern.“
Gustav Heinemann (1899-1976), dt. Politiker, von 1969 bis 1974 Bundespräsident
Liebe Kunden, liebe Freunde,
fast alle Firmen haben Leitbilder und präsentieren diese - zumindest anfangs - ganz euphorisch. Doch wenn wir deren Mitarbeiter und Kunden befragen, was davon Realität ist, bekommen wir anderslautende und auch kontroverse Aussagen. Einige davon sind niederschmetternd und lassen kein gutes Haar an dem Unternehmen oder seiner Führung.
Solche Befragungen haben vielfach stattgefunden. Viele davon durch Unternehmensberatungen auf Initiative der Geschäftsleitung und einige auch durch uns.
Oft verschwinden diese Ergebnisse dann in irgendwelchen Schubladen oder man versucht mit klugen Mitteln dagegen vorzugehen. Nicht selten mit wenig Erfolg.
Warum ist das so? Und wie kann man es "gut" machen?
So wollen wir uns heute mit dem Thema "motivierende Leitbilder" näher beschäftigen. Nicht nur weil es spannend ist, sondern weil es uns (fast) alle betrifft - in der täglichen Welt des Arbeitens und "Wertschöpfens".
Ein Unternehmen hat stets ein Ziel und einen Zweck. Der Zweck ist, wirtschaftlich zu florieren - was die Wesensart einer sogenannten juristischen Person darstellt. Oder umgangssprachlich: Umsatz machen, auf Teufel komm´ raus!
Das übergeordnete Ziel hingegen ist, einen bestimmten Nutzen zu stiften (Produkt, Dienstleistung), für den die Zielgruppe gerne bereit ist Geld zu zahlen.
In der Realität tritt der Nutzen (und die ständigen Überlegungen, wie man diesen noch besser erreichen kann) nach einiger Zeit in den Hintergrund. Dieser Zweck mutiert zum Ziel und es "zählen" nur noch Zahlen. Sprich: Umsatz, Ertrag, Wachstum. Manche sprechen auch von Schlagzahl, Effizienz und/oder Leistung.
In sogenannten Zielvereinbarungen werden Mitarbeiter quasi überredet, sich dem Ziel von noch besseren Zahlen zu unterwerfen. Wir sollten hier festhalten, dass es sich dabei meist um keine "Vereinbarung" handelt, sondern um ein (verstecktes) Diktat. Und genau hier fängt das Übel an: ein Etikettenschwindel, welcher das auf das Abhängigkeitsverhältnis des Mitarbeiters (oder Abteilungsleiters) gebaut ist.
Das Ergebnis: wenn per Quartal oder Jahr festgestellt wird, dass die Ziele nicht erreicht wurden, ist der Mitarbeiter (gefühlt) der Schuldige. Alles Weichgespülte Drumherum kann dies nicht wettmachen.
Die Wahrheit ist, dass die Führung die volle Verantwortung hat. Denn zu ihren maßgeblichen Aufgaben gehört, die Mitarbeiter zu befähigen, die zuvor vereinbarten Ziele zu erreichen und alle Ziele so zu stecken, dass es eine realistische Chance gibt, diese auch erreichen zu können.
Grundsätzlich sollten wir davon ausgehen, dass alle beteiligten Instanzen (Inhaber, Geschäftsführung, Abteilungsleitung, Mitarbeiter) gute Absichten haben. Leider sind die Grundmotive (unbewusst) derart unterschiedlich, dass die Strategien und Methoden zur Erreichung von "vermeintlich" gemeinsamen Zielen stark voneinander abweichen. An der Oberfläche ist man sich zwar einig, aber im Inneren nicht: Die tatsächliche Konfrontation der verschiedenen inneren "Haltungen" (dazu später mehr) findet im Verborgenen bzw. im Versteckten statt. Als zusätzliche Instanz sei hier noch der Betriebsrat genannt, welcher die Interessen der Mitarbeiter bündelt (zumindest glaubt dies zu tun) und die Interessen der Belegschaft vertritt. Einzelfälle reduzieren sich auf juristische Auseinandersetzungen, die eine angenehme Zusammenarbeit zutiefst stören.
Eine Ursache für die meisten Konflikte zwischen Hierarchien und Strukturebenen ist nicht bekannt bzw. wird meist nicht offen thematisiert: die unterschiedlichen persönlichen Grundmotive hinter allen Zielen bzw. gemeinsamen Unternehmungen. Nach all unseren Erfahrungen und Studien sind es die tief im inneren existierenden Motive, welche i.d.R. von kulturell geprägten sonstigen Motiven und Werten überdeckt oder unterdrückt werden.
Es bedarf zwar einiger Erläuterungen (dazu dürfen Sie mich gerne kontaktieren), hier erstmal die wesentlichen Hauptmotive in Kürze:
Betrachten wir uns das kurz im Einzelnen:
Dies heißt nicht unbedingt Lob. Vielmehr eine Art Wertschätzung dafür, dass er/sie "einfach nur da ist" und sich - mit dem, was er/sie hat - einbringen möchte in das Ganze. Zu bedenken ist, dass auch Führungskräfte und sogar die Geschäftsleitung im Grunde nur Mitarbeiter sind und sie, zusätzlich zu den anderen hier aufgeführten Motiven, Anerkennung brauchen. Quasi ein (inneres, zumeist unbewusstes) Rollenspiel, was das Ganze ziemlich komplex macht.
Anerkennung ist ein Grundnahrungsmittel für das Ego, das den geistigen Stoffwechsel anregt und Lust auf Lebensqualität für sich und andere erzeugt.
Innerhalb einer Gruppe herrschen bestimmte dynamische Prozesse, welche sich auf das Wohlbefinden jedes Einzelnen auswirken. Wenn diese Dynamik nicht durch die zuständige Führung in eine Art "Spirit" verwandelt werden kann, so entsteht sie von selbst. Ein Beispiel ist der sog. "Flurfunk" oder auch die versteckte "Grüppchenbildung", innerhalb von Teams bzw. Abteilungen aber auch abteilungsübergreifend. Diese vom Ego motivierten Kommunikationsformen sind schwer kontrollierbar und können die "gute Stimmung" langfristig massiv beeinträchtigen.
Teamgeist kann und sollte stets direkt erzeugt und genährt werden. Gute Führung ist zwar notwendig, reicht aber nicht aus, wenn die Führungsspitze keine "lebenswerte" Mission erzeugen kann. Ein gutes und durchgängig "gelebtes" Firmenleitbild hilft garantiert.
Eine Geschäftsleitung bzw. eine Führungskraft will Kontrolle, im Sinne von "steuern, lenken, regeln". Dies liegt in der Natur der Sache, denn wir haben ja ein Ziel, das es zu erreichen gibt. Leider wird Kontrolle oft missverstanden und hin und wieder durch merkwürdiges und unzeitgemäßes Führungsverhalten erreicht. Dass man Kontrolle auf zwei völlig unterschiedliche Weisen praktizieren kann, ist weitläufig unbekannt. Besonders hier liegt großes Potential brach: wenn Führungskräfte wissen würden, wie Kontrolle auf motivierende Weise erreicht werden kann, würden sich Effizienz und Motivation um ein Vielfaches steigern lassen.
Inhaber (Gesellschafter oder Aktionäre) haben wesentlichen Einfluss auf die Art der Führung. Einem eingesetzten Geschäftsführer oder Vorstand muss (darf) nämlich die Kontrolle (Macht) gegeben werden, die Geschicke des Unternehmens zu lenken. Sie werden am Erfolg (Profit) gemessen und entsprechend behandelt.
Egal, welche tollen und hochtrabenden Ziele nach außen kommuniziert werden, letztendlich geht es um Profit - in über 90% aller Fälle. Das ist völlig legitim und dient dem Zweck einer wirtschaftlichen Unternehmung. Leider wird dies falsch kommuniziert - oder besser - "transportiert". Auch ist das Motiv "Profit" in vielerlei Hinsicht konträr und fast oppositionell zu den Motiven der Mitarbeiter und Teams (kollektive Motive), da es sich nach Abschöpfen und Ausquetschen anfühlt.
Viel wird hier geschrieben, gepredigt und auch gebastelt: Ein Leitbild muss her, dann noch ein wenig emotionale Ansprachen, teure Teambildungscamps und schon sind die Mitarbeiter auf der richtigen Spur. Soviel zur Idee. Leider funktioniert das nicht immer, denn es ist schon etwas mehr erforderlich, um eine nachhaltige Kultur zu erschaffen.
In jeder Kultur geht es letztendlich um Geschichten. Geschichten, die man sich innerhalb und außerhalb des Unternehmens erzählt. Nichts ist prägender und nachhaltiger als eigene und "gehörte" Erlebnisse, die man offen oder auch hinter vorgehaltener Hand weitertragen möchte. Was wichtig und interessant ist, erzählt zu werden, das entscheiden Meinungsführer und deren Gefolgschaft.
Eine Kultur lebt Werte durch mehr oder wenig bewusste Rituale und besticht durch seine Andersartigkeit.
Das Leitbild hat das Hauptziel, alle Aspekte einer "gewollten" Kultur zu proklamieren und zum Mitmachen aufzufordern. Die zukünftig gewollte Story wird in Gegenwartsform so beschrieben, dass bestimmte Handlungen (Rituale) ein Selbstverständnis bekommen. Dabei werden die Grundmotive alle Beteiligten (siehe oben) emotional aufgegriffen, mit prägnanten Wertvorstellungen bestückt und der sog. "ehrenvolle Auftrag" (Mission) bekanntgegeben.
Das optimale Leitbild erreicht unterschiedliche Personengruppen und dabei nachstehende individuellen Ziele:
Natürlich kann dieses breite Spektrum bedeuten, dass verschiedene Leitbilder erstellt und auf unterschiedliche Weise transportiert werden müssen. Optimal wäre zwar ein einziges, was jedoch - je nach Unternehmensstruktur und Branche - nicht immer machbar ist.
Im besten Fall erzeugt ein Leitbild:
Siehe hierzu auch unseren Fachartikel: "Erstellung eines Leitbildes"
Eines der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass die grundlegenden persönlichen Erwartungen des gesamten Personals an die bevorstehenden Aufgaben und Herausforderungen bekannt sein müssen. Diese Erwartungen erzeugen eine Grundhaltung, die sich durch Festigkeit (Stabilität) auszeichnet. Sehr oft wird dies völlig ignoriert. Stattdessen versucht man, seine Mitarbeiter einzufangen und durch "Begeisterungsversuche" zu motivieren. Diese "externe" Motivation funktioniert leider nicht.
Aus diesem Grund muss das "richtige" Personal eingestellt werden. Hier ist das externe Leitbild sehr hilfreich und sorgt dafür, dass sich Bewerber selbst ein Bild vom "ehrenvollen Auftrag" (Mission) und den damit verbundenen Aufgaben machen können.
Um Personal zu finden, das die richtige Einstellung (Geisteshaltung) hat, sind eine solide Personalplanung und ein entsprechend gezieltes Recruiting wichtig. Jede moderne Personalentwicklung muss dies berücksichtigen und dafür Prozesse schaffen.
Werte, die von Anspruchsgruppen (insbesondere Zielgruppe) im Bereich von Dienstleistungen "erlebt" werden wollen, verändern sich im Laufe der Zeit. So war es lange wichtig mit "Freundlichkeit" zu glänzen. Hier wurde seit über 20 Jahren mächtig investiert und alle Mitarbeiter, die mit Kunden in Kontakt waren, wurden durch Seminare und Coachings gejagt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen.
Nun aber verlangt der Kunde mehr: insbesondere "Sympathie". Somit müssen die bestehenden Lernmethoden auf den Kopf gestellt werden. Freundlichkeit kann trainiert werden, aber Sympathie nicht.
Da die "Willfährigkeit" bzw. Loyalität eines Mitarbeiters zunehmend von seinem "integren" Verhalten (sich selbst gegenüber) abhängig ist, sollte unbedingt auf die richtige Positionierung, Ausbildung und Förderung der Mitarbeiter geachtet werden.
Wir wissen nun, dass die Geisteshaltung (Motive und Wertvorstellungen) alle Beteiligten sehr wichtig ist. Mindestens die sog. Leistungsträger, Rädelsführer und Meinungsführer müssen ins Boot geholt werden.
Der Weg in Kürze:
Bevor sie ein Leitbild erstellen und veröffentlichen, das halbherzig oder nur nach außen gerichtet ist, sollten Sie sich professionellen Beistand leisten. Neben den meist nur theoretisch agierenden Unternehmensberatungen sollten Sie zusätzlich einen erfahrenen Coach engagieren, welcher den ganzen Prozess begleitet und - WICHTIG! - schon bei der Planung des Vorhabens als Sparringspartner fungiert.
Egal, ob Sie schon ein perfektes Leitbild haben oder nicht, es bedingt großer Aufmerksamkeit, dieses ständig zu pflegen und bei allen Beteiligten die Bereitschaft zu erzeugen, hierfür ihr Bestes zu geben.
Herzlichst
Ihr Frank H. Sauer
P.S. Umfangreiche Infos, Hilfestellungen und ein "großes Wörterbuch der Werte" finden Sie hier: www.wertesysteme.de
Zu diesem und ähnlichen Themen bieten wir Coachings, Seminare und Workshops an - in Köln und auf Mallorca.
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