CoachLetter 10 – Spielen statt arbeiten!

Von Frank H. Sauer | im Juli 2014 | Ausgabe 10


Wie die eigene Arbeit zum persönlichen Spiel wird – und was ist eigentlich ein „Flow“?

Anmerkung: Diese Onlineversion des CoachLetters enthält zusätzlich (am Ende der Seite) die Videos „Verspielte Welt – Die Gamification unseres Lebens“ sowie „Gamification bringt den Sport ins Lernen“


„Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst genug nehmen kann.“

Jacques-Yves Cousteau (Französischer Meeresforscher)

Liebe Kunden, liebe Freunde,

aktuelle Studien zeigen deutlich auf, dass die meisten Deutschen schon lange keine richtige Freude mehr bei ihrer Arbeit verspüren und viele sogar unglücklich oder ausgebrannt sind. Leistungsdruck, Unsicherheit und ein schlechter Chef bzw. Unternehmensführung sind die meist genannten Gründe.

Dennoch gehen fast alle freiwillig zur Arbeit – sie könnten ja auch Zuhause bleiben oder sich einen anderen Job suchen. Wenn da nicht das liebe Geld und das Pflichtbewusstsein wären.

Einigen meiner Kunden gebe ich gerne Hausaufgaben mit, die sie jeweils bis zum nächsten Coachingtermin erledigen sollen. Eine davon ist, sich während des Alltags mit den spielerischen Aspekten des Lebens zu beschäftigen. Gezielte Übungen, um diesen verkümmerten geistigen Muskel zu trainieren. Die meisten haben dabei außerordentliche Erlebnisse und entwickeln im Laufe der Zeit mehr Selbstbewusstsein und Entspanntheit.

Das ausgiebige Spielen kennen wir alle aus unserer Kindheit. Es wurde uns aber erklärt, dass diese Freiheit zu Ende ist, wenn wir in die Arbeitswelt gehen. Kinder dürfen spielen und Erwachsene haben die Pflicht zu arbeiten. Manche Erwachsene vermissen das Spiel nicht. Aber die meisten suchen nach Gelegenheiten, um zumindest ab und zu Spaß zu haben.

Und da sind wir mitten in unserem heutigen Thema: Spaß an der Arbeit. Wie geht das? Tauchen wir ein, in das Mysterium „Balance in Freiheit“!

Definition: Das Spiel

Im Wörterbuch (Duden) finden wir: 

„Spiel: Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, aus Freude an ihr selbst und an ihrem Resultat ausgeübt wird“.

Beim Spielen also, ist das Spiel selbst der Zweck. Und weiter:

„Spiel, für dessen Zielerreichung ein Gewinn ausgelobt ist“.

Einige Spielwissenschaftler unterscheiden in Spiele mit und ohne Zweck. So besitzen z.B. Funktionsspiele keinen bestimmten Zweck, Lernspiele jedoch verfolgen den Zweck des Lernens, welcher auf diese Weise spielerisch (motivierend) erreicht wird.

Der niederländische Kulturanthropologe Johan Huizinga schreibt 1938 in seinem Werk „Homo ludens“:

„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“

Friedrich Schiller sagte über die ästhetische Erziehung des Menschen:

„Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Der „Flow“

Der Psychologe Prof. Mihály Csíkszentmihályi beschrieb 1975 das Phänomen des Spielens als „Flow-Zustand “, der mittig zwischen Überforderung (Angst, Druck) und Unterforderung (Langeweile, Apathie) entsteht. Beim Flow liegt der Anreiz nicht im Ergebnis, sondern in der Tätigkeit selbst. Es macht einfach Spaß, was wir tun.

Beim Spielen entsteht dieser Flow, der sich durch folgende Merkmale auszeichnet:

  1. Die Tätigkeit selbst beinhaltet die Zielsetzung (Autotelie).
  2. Es finden unmittelbare Rückmeldungen statt.
  3. Die Konzentrationsfähigkeit steigt.
  4. Das Verhältnis der Anforderungen und Fähigkeiten ist zunehmend ausgewogen.

Weiterhin entstehen sog. Erlebnisse:

  1. Die Aktivitäten erzeugen keine Mühe.
  2. Persönliche Sorgen verschwinden.
  3. Die Zeitabläufe relativieren sich.

Oft sind wir im Flow ohne es bewusst zu merken. Stimulierende Tätigkeiten, welche unsere Aufmerksamkeit vollständig in Anspruch nehmen, bringen uns fast immer in diesen Zustand.

Angst, Ungeduld und ein übertriebener Ehrgeiz können das Eintauchen in den Flow-Zustand verhindern. Sie führen zu einem angespannten Körpergefühl und verhindern so den freien Fluss der Energie im Körper.

Falsche Priorisierung

Die Umgewöhnung von „Spielen“ in „Arbeiten“ findet bereits in der Kindheit und spätestens in der frühen Jugend statt. Wir werden vor allem in der Schule an das sog. Leistungsprinzip herangeführt. Leistung ist „verrichtete Arbeit in einer bestimmten Zeit mit Nutzung von Energie bzw. Ressourcen“, so lernen wir es auch im Physikunterricht.

Die Herrschaften, welche uns das erklären, ignorieren, dass beim Spielen ein Vielfaches an Leistung erzielt werden kann. Und zwar ohne vergleichbare Erschöpfungszustände. Es gibt Gründe für dieses Ignorieren von Spielen im Arbeitsleben: Die Ergebnisse sind schwerer vorhersagbar, messbar und vergleichbar (systemisch) sowie kontrollierbar (Führung).

In einer Ausbildung sollte immer auch der Umgang mit der „spielerischen Leichtigkeit“ vermittelt werden. Da dies weder von den meisten Eltern und Lehrern selbst erlernt wurde, ist dieser geistige Muskel über sehr viele Generation verloren gegangen. Schauen wir uns das mal genauer an und stellen dabei fest:

Die Stellschraube für eine positive Veränderung ist eine Wiederbelebung der Wichtigkeiten von kulturellen Werten und Wissensgebieten.

Es lebe das Spiel

Es gibt viele bekannte Spiele, die jeder von uns schon einmal selbst gespielt oder bei einem solchen Spiel zugeschaut oder zugehört hat:

  • Fußball spielen
  • Tennis spielen
  • Klavier spielen
  • Computer spielen
  • Smartphone-App spielen
  • Im Sandkasten spielen
  • Lotto spielen
  • Schach spielen

Wie wäre es, wenn wir diese mutwillige Begeisterungsfähigkeit auf andere Bereiche übertragen und damit beginnen würden? Zum Beispiel:

  • Firma aufbauen spielen
  • Kinder erziehen spielen
  • Haus bauen spielen
  • Probleme lösen spielen
  • Auto reparieren spielen
  • Kriege verhindern spielen
  • Leben spielen

Mit der Wiederentdeckung des Spiels können wir Probleme viel leichter konfrontieren und lösen als durch harte Arbeit.

Natürlich ist das spielerische Herangehen an eine Sache auch eine Frage der Grundhaltung und der Emotionen zu dem entsprechenden Thema. Manche Leute verstehen einfach wenig Spaß. Warum nur? Wahrscheinlich sind sie anders programmiert, zum Beispiel auf Pünktlichkeit, Fleiß und andere ähnliche Tugenden. Diese Merkmale sind nicht unwichtig, aber ohne ein Mindestmaß an Spaß bei der Sache macht uns das zu Sklaven oder Knechte eines dogmatischen Weltbildes.

Die Bestandteile eines Spiels

Ein Spiel beinhaltet im qualitativen Sinn auch der Reihe nach: „Ambition “ + „Logik “ + „Optimierung“. Am Anfang steht die Ambition, dann das Herangehen mit Logik, um am Ende eine definierte Optimierung zu erzielen.

Im Grunde besteht ein Spiel aus einem „klar abgesteckten Spielfeld“, aus „Regeln“, aus „Freiheiten“ und aus einem „Gegner“, den wir auch – positiv formuliert – Herausforderer nennen können. Voraussetzung ist natürlich, dass unsere Gegner das Ganze auch als Spiel ansehen.

Vor allem in der Geschäftswelt haben wir Gegner, die uns mit anderen, als spielerischen und fairen Mitteln, entgegentreten. Wenn z.B. allzu schnell juristische Wege bestritten werden (Rechtsmittel) gehen sämtliche spielerischen Aspekte verloren. Aber genau darin liegt die zusätzliche Herausforderung und Chance, uns mit Kompetenz und zielgerichtetem Fleiß, beim Einfordern von eigenen Spielregeln besonders zu profilieren und dadurch mit gutem Beispiel voranzugehen.

Sollten Sie Unternehmer oder eine Führungskraft sein, dann ist dies ein sehr bedeutendes Thema, denn die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern hängt sehr stark davon ab, wie Ihre Fähigkeiten ausgeprägt sind, Ihren Leuten ein Spiel zu geben.

Lassen Sie uns also ein Spiel spielen, eine Herausforderung annehmen und dabei Spaß haben!

Die Umsetzung

Die Devise heißt (frei nach Shakespeare): „Lust verkürzt den Weg“. Der Profi würde sagen: „Motivation erhöht die Effizienz“ und der Akademiker könnte das so formulieren: „Intrinsisch motivierte Menschen tragen durch ein zielgerichtetes Verhalten maßgeblich dazu bei, den Wirkungsgrad innerhalb einer Wertschöpfungskette um ein Vielfaches zu steigern“.

Bleiben wir besser bei Shakespeares Formulierung und stellen nun fest, wie Lust (Motivation) erzeugt werden kann:

Lust entsteht bei stimulierenden Tätigkeiten, welche unsere Sinne stark in Anspruch nehmen und unsere eigenen Wertvorstellungen befriedigen (Anreize).

Angst und Perfektionismus verschwinden und wir schalten in eine Art Autopilot um (Leichtigkeit). Aus Nachdenken wird Vordenken und insbesondere „Währenddenken“. Es fliegt uns das zu, was wir brauchen und wir lassen automatisch das weg, was irrelevant ist. Das Vertrauen in unsere Fähigkeiten steigt. Die Leistungsbereitschaft nimmt sportlichen Charakter an.

Da dieser Zustand nur selten vollbewusst wahrgenommen wird, verlassen wir ihn schnell wieder, sobald Störungen oder Ablenkungen von Außen dominieren. Deswegen sollten wir diesen Zustand bestmöglich verteidigen um ein höheres Bewusstsein zu erlangen. 

Auch eine Förderung und Inspiration von Außen (z.B. durch den Chef, Partner, Kollegen) ist leicht möglich, wenn – wie zuvor beschrieben – die Sinne und Werte angesprochen werden (geistiger Trigger).

Werfen wir also den Ballast ab und lernen wieder spielerisch zu denken. Wir müssen den konservativen „Ernst“ aus der Sache rausnehmen und uns wieder an unsere kindlichen Eigenschaften erinnern, die in diesem Sinne recht positiv waren. Ich rede hier nicht von Unwissenheit sondern von Leichtigkeit, Neugierde, Tatendrang, usw. Nehmen Sie das bitte wörtlich und lassen Sie sich einfach mal gehen!

Loslassen

Sich gehen lassen wird auch gerne als Loslassen bezeichnet. Doch was heißt das? Ich stelle oft fest, dass die meisten Menschen mit dieser Aussage zunächst sehr wenig anfangen können, obwohl es ihnen grundsätzlich schlau erscheint. Ich möchte es hier auf die Weise erklären, wie es die meisten meiner Kunden am besten verstanden haben.

Warum und was halten wir fest? Festhalten kann man verschiedene Dinge; hier nur einige Beispiele:

  • Sich selbst, in der Straßenbahn, damit man nicht umfällt.
  • Ein Lenkrad beim Autofahren.
  • Einen Tennisball, kurz vor dem Aufschlag zum Gegner.
  • Klaviertasten, um den vorher angeschla-gen Ton länger anzuhalten.
  • Einen Gedanken, den man nicht verlieren will.
  • Einen Witz, den man hörte und gerne weitererzählen möchte.
  • Eine künstliche Charaktereigenschaft, die wir uns als Schutz oder Überlebensmechanismus angeeignet haben.
  • Eine fixe Idee, aus der Kategorie Selbstabwertung.
  • Einen Mitarbeiter, der eigentlich gehen will oder nicht zu uns passt.
  • Einen Job, der unseren Lebensstandard sichert, obwohl er uns gar keinen Spaß macht.

Selbst beim beharrlichen oder krampfhaften Festhalten einzelner Elemente würden wir das Gesamtwerk festhalten und einen harmonischen Fluss verhindern.

Es ist also ziemlich klug, das, was man unter Kontrolle haben möchte, gänzlich loszulassen, damit es seinem natürlichen Fluss (Flow) folgen kann. Erst dann haben wir die Möglichkeit diesen natürlichen Fluss nutzbar zu machen.

Loslassen bedeutet somit „das Spiel laufen zu lassen“ und durch Beobachtung und Intuition lieber die übergeordneten Steuermechanismen zu koordinieren.

In einem Spiel – und zwar in jedem Spiel – gehört folgender Mechanismus immer dazu: Wir müssen es beherrschen, Dinge zum richtigen Zeitpunkt festzuhalten, um sie dann im richtigen Moment loszulassen, damit das Spiel fließen kann. Weiterhin müssen wir Dinge im richtigen Moment erneut aufgreifen bzw. festhalten, um sie dann wieder abzugeben oder loszulassen. 

Ähnlich ist es z.B. beim Jonglieren von mehreren Bällen oder beim Fußballspiel.

Wer dieses Steuern beherrscht, ohne dabei den natürlichen Fluss zu beeinträchtigen, der ist ein echter professioneller Spieler. Die Sache wird gelingen und meist für Außenstehende leicht und toll aussehen.

Das Spiel der Führungskraft

Als Führungskraft haben Sie die Aufgabe auch in dieser Sache – sogar ganz besonders in dieser Sache – für Ihre Mitarbeiter ein Vorbild und Vordenker zu sein. Nennen wir einen Vorgesetzten, Manager oder Erzieher, doch einfach mal „Vor-Spieler“, der sich durch das Vorgeben und Vorleben eines Spieles als ernst genommener Spielführer auszeichnet. Seien Sie also ein Spielführer, Team-Chef oder Spielmacher, oder wie immer Sie sich in obigem Sinne bezeichnen würden! Egal wie groß Ihre Mannschaft ist.

Freuen Sie sich über gute Zwischenergebnisse und zeigen Sie, dass Sie selbst in der Lage sind zu staunen.

Staunen

Das Staunen ist ein emotionaler Zustand als Reaktion von etwas Unerwartetem. Platon bezeichnete das Staunen als Anfang aller Philosophie. Neurobiologen fanden heraus, dass Staunen sehr motivationsfördernd ist.

Staunen wird meist durch Neugierde bzw. Interesse ausgelöst, was somit eine wichtige Grundhaltung für das Spiel oder den Flow-Zustand ist.

Fazit

Wir wissen heute, dass die meisten erwachsenen Menschen das Spielen vermissen. Dennoch arbeiten sie weiter und weiter, da sie es nicht für möglich halten, dieses Rad zurückzudrehen. Unzufriedenheit, BurnoutMobbing, Depressionen, Krankenstand und Mitarbeiterfluktuation sind die Ergebnisse.

Lassen Sie sich überraschen und staunen Sie darüber, was im privaten aber auch im unternehmerischen Bereich möglich ist – gerne bei einem persönlichen Coaching oder einem unserer Workshops und Seminare.

Herzlichst 

Ihr Frank H. Sauer


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